St. Maria im Kapitol
Die romanische Kirche St. Maria im Kapitol in Köln weckte meine Aufmerksamkeit bereits während meiner Studienzeit in Hamburg. Durch einen engen Freund, der der Oratorianerkongregation angehört, stieß ich auf diese, in ihren Grundmauern noch bis in die römische Antike hinabreichende Kirche und schloß sie schon bald in mein Herz. Bedingt durch ihre Lage am Rande der Kölner Altstadt, ihre Turmlosigkeit, vor allem aber aufgrund der sie umgebenden Nachkriegsbebauung fristet diese kunsthistorisch außerordentlich wertvolle Kirche ein tristes Schattendasein. Dieses bekümmerte mich seit eh und je und regte mich dazu an, die virtuelle Rekonstruktion des Vorkriegsustandes vorzunehmen. Diese ist unter der Rubrik “virtuelle Rekonstruktionen” eingehender geschildert.
Ich wollte es hierbei jedoch nicht belassen – die Beschäftigung mit der Romanik machte Lust auf mehr, und so gelang es mir, die Professoren Herzberger und Philipp davon zu überzeugen, der Rekonstruktion einen ebenfalls romanischen Entwurf nachfolgen zu lassen, der der Kirche wieder ein ansprechendes Gesicht geben soll. Es handelt sich bei den geplanten Gebäuden um ein Haus der Oratoriums, einer im sechzehnten Jahrhundert durch den heiligen Philipp Neri gegründeten Gemeinschaft von Kanonikern, deren seelsorgerischer Schwerpunkt insbesondere im Bereich der Vermittlung von Glaubensinhalten durch kulturelle Veranstaltungen zu sehen ist. Die geplanten Gebäude entsprechen insofern, gemäß ihrer Bestimmung, weitgehend einem klassischen Kloster: um einen zentralen Kreuzgang gruppieren sich die zentralen Gemeinschaftsräume wie Bibliothek, Refektorium, Rekreation, sowie die Wohnräume der Priester. Letztere sind hier, den Komfortanforderungen der Gegenwart entsprechend, als kleine Appartements angelegt.
Die stilistische Gestaltung orientiert sich weitgehend an der Neoromanik des neunzehnten Jahrhunderts. Optisch geschieht so eine weitgehende Annäherung an die nebenstehende Kirche, die von den Neubauten von drei Seiten umstanden wird. Gleichwohl wurde nicht auf die “reine” mittelalterliche Romanik zurückgegriffen, weil diese für die hier notwendig gewordenen Bauaufgaben keine passenden Vorlagen lieferte. Die Neoromanik hingegen durchaus, was viele Beispiele, wie etwa das Posener Kaiserschloß, beweisen. Letzteres diente schließlich auch als gestalterisches Vorbild für den hier projektierten Komplex.
Entsprechend dem spezifischen Profil der Oratorianer war jedoch eine Anzahl von Räumen und Gebäudeteilen notwendig, für die es keinerlei mittelalterliche Vorbilder gibt: so war beispielsweise ein großer Konzert- und Vortragssaal notwendig, der für die nach der Kongregation benannten Musikaufführungen geistigen Inhalts ermöglicht. Ich entschied mich, diesen Saal weitgehend an die Gestaltung einer Kirche anzulehnen, da es sich bei den hier stattfindenden Darbietungen um solche geistlichen Inhaltes handelt.
Hierneben entschloß ich mich dazu, den Bereich des vom Kreuzgang umgebenen Innenhofes inmitten des Klostergevierts, mittels eines transparenten Glasdaches in einen weiteren Veranstaltungsort zu verwandeln. Bei diesem Bauelement handelt es sich zwar um ein dezidiert “modernes” Teil, doch tritt dieses durch seine schlanke und schlichte Gestalt so weit hinter der Gestalt des es tragenden Gebäudes zurück, daß es als ganz selbstverständlich vorhanden vom Betrachter hingenommen wird.
Außerhalb des eigentlichen Klostergevierts, mit diesem jedoch über einen zweigeschossigen Gang verbunden, befindet sich der Saaltrakt mit dem Oratoriensaal im ersten Obergeschoß. Neben diesem liegt die zweigeschossige Hauskapelle des Oratoriums, die dem regelmäßigen Gebet der Kanoniker außerhalb der großen Messen, die in der eigentlichen Kirche zelebriert werden, dient. Insbesondere die Heilig-Geist Kapelle im Obergeschoß zeichnet sich durch ihre reiche Ausstattung mit Mosaiken und Marmorinkrustationen aus. Hier ist in erster Linie der Ort für das Gebet der Patres, während die deutlich niedrigere Kapelle im Erdgeschoß – sie ist dem heiligen Philipp Neri geweiht – der stillen Andacht von Passanten und Laien ganz allgemein dient.
Dem Ansinnen, anders als in einem “normalen” Kloster ein bewußt offener Ort zu sein, um den Glauben zu verbreiten, besitzt der Gebäudekomplex unter dem großen Saal ein Restaurant, dessen Gestaltung sich an mittelalterlichen Klosterkellern orientiert. Hier kann der Gast vor oder nach einem Konzert oder einem Vortrag auch die körperliche Freude kirchlicher Produkte erleben: ausgeschenkt würde dem Konzept nach in erster Linie Ware aus kircheneigener Produktion.
Zum Entwurf gehörte das Erproben neuer Tools des Programms Cinema 4D, worunter insbesondere die Sculpting-Funktion zu nennen ist. Anders als bisher ist es nunmehr möglich, ähnlich wie beim Arbeiten mit Knetmasse, aus Grundformen wie Kugel, Würfel, etc. komplexe Formen zu generieren, was in dieser Weise in vorhergehenden Varianten dieses Programms noch nicht möglich war. Dies bedeutete gleichzeitig eine immense Erleichterung in der Herstellung komplexester Details, wie etwa der Kapitelle der Säulen der Kreuzgangarkaden, wie auch ein massives Ansteigen der Dateigrößen. Die Renderzeiten überschritten daher nicht selten die Dauer zweier Tage.