Virtuelle Rekonstruktionen


Der Beschäftigung gleichermaßen mit der Architekturgeschichte und den sich durch die Möglichkeiten der Architekturvisualisierung gleichermaßen drängte sich die Hinwendung zur virtuellen Rekonstruktion abgegangener Bauten geradezu auf.
Angeregt durch Professor Erwin Herzberger am Institut für Darstellen und Gestalten entstanden in meiner Zeit an der Universität Stuttgart einige Gebäude, die der zweite Weltkrieg entweder vernichtet oder nachhaltig verändert hatte, im virtuellen Raum neu.
Gestützt auf alte Bauaufnahmen und Photos aus der Vorkriegszeit, die ich aus den diversen Archiven der Städte Hamburg und Köln zutage förderte, konnte in einer bisweilen sehr kleinteiligen Puzzlearbeit die Erscheinungsbilder der Gebäude - des einstigen Hamburger Stadttheaters und der Kirche St. Maria im Kapitol zu Köln mit dem Programm Cinema 4D neu erstellt werden.
Was zunächst im Falle des Stadttheaters, der heutigen Hamburger Staatsoper, mit einer rein äußerlichen Rekonstruktion begann (die Pläne des Inneren waren schwer in den dreidimensionalen Raum zu übersetzen), fand mit St. Maria im Kapitol schließlich seine vollplastische Fortsetzung. Hier war das vorhandene Quellmaterial so ausführlich und gut, daß auch das Innere sowie ein Großteil der bisweilen sehr kleinteiligen Schmuckelemente wie Kapitelle und Maßwerkfenster, rekonstruiert werden konnte.
Insgesamt gibt es bei dieser Art von Arbeit eine gänzlich andere Herangehensweise, als beim ebenfalls mit C4D bearbeiteten Entwurf: die umfangreiche Recherchearbeit läßt einen einen weit tieferen Einblick in Geschichte und Schicksal der Gebäude erhalten, als dies naturgemäß im Falle des Entwurfs eines neuen Gebäudes der Fall sein kann. Zudem hat man, zumindest im Idealfalle, einen sehr geringen Interpretations- und Gestaltungsspielraum. Kann man etwa im Falle der Visualisierung eines noch zu erbauenden Entwurfes bisweilen eigene ästhetische Vorstellungen mit einfließen lassen, ja, den Architekten durch das Voraugenhalten dessen, was er am Reißbrett entworfen hat, bisweilen zu weitgehenden Änderungen veranlassen, so ist dies hier gänzlich unmöglich. Es wird rekonstruiert, was einst gewesen ist. Der am Rechner Arbeitende erlebt nicht selten den historischen Schöpfungsprozeß nach und erlebt das Erstehen des vernichteten Gebäudes Stück um Stück mit. Dies ist, man kann es gar nicht genug betonen, eine höchst sinnliche Erfahrung, die erheblich Lust auf weitere Arbeiten dieser Art macht.